Die Schredder-Affäre
Die Schredder-Affäre – Wenn in der österreichischen Politik die Festplatten fliegen
Die österreichische Politik hat in den letzten Jahren so manchen Skandal hervorgebracht, doch die Schredder-Affäre hat sich einen besonderen Platz im Pantheon der politischen Absurditäten gesichert. Man könnte fast meinen, hier hätte sich ein Hollywood-Drehbuch mit einer Satire vermischt, wenn nicht am Ende doch fünf Festplatten tatsächlich in einem Schredder gelandet wären – und das unter einem falschen Namen, „Walter Maisinger“. Wenn man bedenkt, dass dieser Vorfall sich im Umfeld eines Misstrauensantrags und der Ibiza-Affäre ereignete, muss man sich fragen: War das eine tragische Komödie oder einfach nur ein weiterer Tag in der österreichischen Innenpolitik?
Ein nervöser Mann und ein hungriger Schredder
Die Geschichte beginnt im Mai 2019, als Österreich gerade durch die Enthüllungen des Ibiza-Videos erschüttert wurde. Die türkis-blaue Koalition platzte, und der damalige Bundeskanzler Sebastian Kurz stand kurz vor einem Misstrauensantrag. Inmitten dieses politischen Chaos‘ entscheidet sich ein Mitarbeiter des Bundeskanzleramts, dass es wohl an der Zeit sei, alte Festplatten zu entsorgen – und zwar gründlich.
Unter dem falschen Namen „Walter Maisinger“ bestellt der mysteriöse Mann einen Termin bei der Firma Reisswolf, einem Spezialisten für Datenvernichtung. Dort ließ er, sichtlich nervös, die fünf Festplatten gleich dreimal schreddern und bestand darauf, die Überreste selbst mitzunehmen. Klingt nach einem klassischen Fall von: „Nichts zu sehen hier, bitte gehen Sie weiter!“
Doch der Schredder-Gauner machte einen entscheidenden Fehler, der ihm zum Verhängnis werden sollte: Er vergaß, die Rechnung zu bezahlen. Dass der österreichische Steuerzahler am Ende nicht nur für den Misstrauensantrag, sondern auch noch für diese misslungene Geheimaktion aufkommen sollte, verleiht der Sache eine herrliche, wenn auch kostspielige, Ironie.
Festplatten oder Drucker? – Die große Debatte
Worum ging es auf diesen ominösen Festplatten? Die Antwort darauf gleicht einem politischen Krimi. Die ÖVP bestand hartnäckig darauf, dass es sich lediglich um Druckerfestplatten handelte. Nun gut, man kann Drucker lieben und hassen – aber dreimal schreddern? Journalisten und Oppositionsparteien hatten dafür nur ein müdes Lächeln übrig und vermuteten, dass es sich um brisante Laptop-Festplatten mit vertraulichen Regierungsdaten handeln könnte.
Besonders pikant: Eine der Festplatten könnte zum Laptop des damaligen Kanzleramtsministers und späteren Finanzministers Gernot Blümel gehört haben. Als dieser im Ibiza-Untersuchungsausschuss aussagte, keinen Laptop zu besitzen, lachte die Republik in sich hinein – zumindest jene, die wussten, dass ihm ein HP EliteBook zugeteilt worden war. Es ist schwer zu sagen, was absurder ist: Die Behauptung, keinen Laptop zu haben, oder das beharrliche Dreifach-Schreddern von Druckerfestplatten.
Schreddern und Recht – ein Widerspruch in sich?
Als ob die Geschichte nicht schon seltsam genug wäre, stellte sich bald die Frage, ob die Vernichtung der Festplatten überhaupt rechtens war. Der frühere Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs sah darin einen Verstoß gegen das Bundesarchivgesetz, das vorschreibt, dass wichtige Dokumente ins Archiv wandern. Die ÖVP argumentierte jedoch, dass das Schreddern ein ganz normaler Vorgang sei – so normal eben, dass man dafür auch mal einen falschen Namen und ein Nervenbündel braucht.
Die Sache wurde dadurch noch absurder, dass Kurz selbst das Schreddern als übliches Prozedere verteidigte. Man müsse ja verhindern, dass wichtige Daten „geleakt“ würden, besonders, wenn es so viele sozialdemokratische Beamte im Bundeskanzleramt gäbe. Die Beamten fanden diese Unterstellung alles andere als lustig, was zu weiteren öffentlichen Wortgefechten führte.
Folgen und Polit-Theater
Die Schredder-Affäre wäre nicht komplett ohne den politischen Aufruhr, den sie nach sich zog. Peter Pilz von der Liste JETZT forderte eine Sondersitzung des Nationalrates, und Werner Kogler von den Grünen sah genug Stoff für einen weiteren Untersuchungsausschuss. Es ist fast rührend, wie sehr sich die politische Klasse auf diesen Schredder stürzte, als wäre er der eigentliche Architekt des Misstrauens gegen Sebastian Kurz.
Der Ibiza-Untersuchungsausschuss, der 2020 eingerichtet wurde, hat sich schließlich auch dieser Affäre angenommen. Und obwohl die tatsächlichen Inhalte der geschredderten Festplatten vermutlich nie vollständig geklärt werden, bleibt der Vorfall ein Paradebeispiel für das, was in Österreich gerne als „politisches Kasperltheater“ bezeichnet wird.
Ein Schredder für die Ewigkeit
Die Schredder-Affäre ist eines dieser Ereignisse, bei denen man nicht weiß, ob man lachen oder weinen soll. Die Kombination aus einer fast schon komödiantischen Geheimaktion, politischer Überheblichkeit und dem peinlichen Detail, dass alles wegen einer unbezahlten Rechnung ans Licht kam, macht sie zu einem echten Juwel in der Geschichte der österreichischen Skandale.
Am Ende bleibt nur die Erkenntnis: Wer etwas schreddern will, sollte nicht nur auf Nummer sicher gehen, sondern auch die Rechnung bezahlen.