Die Nationalratswahl 2024 bringt eine bunte Mischung aus neuen und bekannten Spitzenkandidaten ins Rennen. Hier ein Überblick über die Spitzenkandidaten der Parlamentsparteien, sowie die von KPÖ und Bierpartei.
Karl Nehammer – ÖVP
Für den amtierenden Bundeskanzler Karl Nehammer ist es die erste Wahl als Spitzenkandidat der ÖVP. Der 51-jährige Wiener, der seine politische Karriere in Niederösterreich begann, erlebte einen steilen Aufstieg in der Ära Kurz und übernahm schließlich im Dezember 2021 den Parteivorsitz und die Kanzlerschaft. Nehammer, bekannt für sein straffes Auftreten, kämpft mit ungeschickten Ausrutschern und sinkenden Wahlergebnissen der Volkspartei. Dennoch hält er sich fest im Sattel, auch dank einer zuletzt wieder besseren Stimmung in der Partei.
Andreas Babler – SPÖ
Der 51-jährige Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, ist der Hoffnungsträger der SPÖ-Linken. Trotz großer Erwartungen nach seiner Wahl zum Parteichef im Vorjahr hat Babler bisher keinen durchschlagenden Erfolg erzielt. Seine leutselige Art und sein Fokus auf Sachpolitik stoßen bei Teilen der Partei auf Skepsis, besonders wegen seines linken Kurses. Für Babler steht viel auf dem Spiel, da er dringend einen Wahlerfolg benötigt.
Herbert Kickl – FPÖ
Herbert Kickl, 55, tritt erstmals als Spitzenkandidat seiner Partei an, obwohl er seit vielen Jahren die Fäden im Hintergrund zieht. Der Hardliner und talentierte Redenschreiber machte sich einen Namen als Innenminister und steht für eine populistische Politik, die besonders während der Corona-Krise Anklang fand. Die FPÖ träumt unter seiner Führung von einer „Volkskanzlerschaft“.
Werner Kogler – Grüne
Der 62-jährige Werner Kogler geht als dienstältester Spitzenkandidat ins Rennen. Seit den 80er Jahren in der Politik, führte er die Grünen nach dem Scheitern 2017 zurück ins Parlament und wurde Vizekanzler. Koglers bodenständige Art und seine Fähigkeit, Kompromisse in der Koalition mit der ÖVP einzugehen, machten ihn zu einer zentralen Figur der Grünen.
Beate Meinl-Reisinger – NEOS
Die 46-jährige Beate Meinl-Reisinger, die einzige Frau unter den Spitzenkandidaten, führt die NEOS bereits seit 2018. Die Juristin mit ÖVP-Vergangenheit hat klare Ambitionen, die NEOS in die Regierung zu bringen, und tritt als redegewandte und humorvolle Oppositionsführerin auf.
Tobias Schweiger – KPÖ
Tobias Schweiger, 34, vertritt die KPÖ und träumt von einer kantinenähnlichen Struktur der Partei. Der aus Graz stammende Aktivist ist seit 2021 Bundessprecher der KPÖ und möchte die Partei langfristig etablieren. Seine Wurzeln liegen in der sozialdemokratischen Bewegung und bei den Jungen Grünen.
Dominik Wlazny – Bierpartei
Der 37-jährige Dominik Wlazny, besser bekannt als Marco Pogo, tritt erneut mit seiner Bierpartei an. Der Mediziner und Musiker startete 2015 mit humorvollen Forderungen, wird aber seit der Bundespräsidentenwahl 2022, bei der er überraschend gut abschnitt, ernst genommen. Sein politisches Programm hält er jedoch nach wie vor recht vage.
Madeleine Petrovic – Liste Petrovic
Die 68-jährige ehemalige Grünen-Chefin Madeleine Petrovic tritt mit ihrer eigenen Liste an, nachdem sie sich von den Grünen entfremdet hat. Die Tierschützerin und Kritikerin der Corona-Maßnahmen setzt sich für Grundrechte und Freiheit ein.
Fayad Mulla – KEINE
Fayad Mulla, 43, führt die links-progressive Partei „KEINE“ (ehemals „Wandel“). Der Menschenrechtsaktivist und studierte Internationale Entwicklung tritt bereits zum zweiten Mal auf Bundesebene an und möchte mit seiner Protestpartei gegen das politische Establishment antreten.
Die Nationalratswahlen in Österreich von 1945 bis 2019 zeigen eine dynamische Entwicklung der politischen Landschaft der Zweiten Republik. Hier ist eine zusammengefasste Chronologie der wichtigsten Ereignisse und Wahlergebnisse:
1945 bis 1950er Jahre: Aufbau und Dominanz der Großparteien
- 1945: Erste Wahl nach dem Zweiten Weltkrieg. Die ÖVP gewinnt mit knapp 50 % der Stimmen und stellt eine absolute Mehrheit. Die SPÖ folgt als zweitstärkste Partei.
- 1949: Die ÖVP behält die Spitzenposition, verliert jedoch die absolute Mehrheit. Die WdU tritt erstmals an und erreicht 11,7 %.
- 1953: SPÖ wird erstmals stimmenstärkste Partei, bleibt jedoch in der Großen Koalition mit der ÖVP.
- 1956: Die ÖVP festigt ihre Position als stärkste Partei. Neue rechte Kräfte wie die FPÖ treten auf.
- 1959: Rückgang der KPÖ auf 3,3 %, endgültiger Niedergang der Kommunisten in der Nationalratsvertretung.
1960er bis 1970er Jahre: Politische Stabilität und SPÖ-Aufstieg
- 1962: ÖVP führt erneut, Große Koalition bleibt bestehen.
- 1966: ÖVP gewinnt absolute Mehrheit, SPÖ verliert leicht.
- 1970: Unter Bruno Kreisky wird die SPÖ mit 48,4 % stärkste Kraft und bildet eine Minderheitsregierung mit FPÖ-Duldung.
- 1971: SPÖ erreicht mit Kreisky eine absolute Mehrheit und bildet eine Alleinregierung.
- 1975 & 1979: SPÖ festigt ihre Dominanz, erreicht 51 % im Jahr 1979.
1980er bis 1990er Jahre: Koalitionen und Aufkommen neuer Parteien
- 1983: SPÖ verliert absolute Mehrheit, bildet eine Kleine Koalition mit FPÖ.
- 1986: SPÖ bleibt stärkste Kraft, FPÖ verdoppelt ihren Stimmenanteil, die Grünen ziehen erstmals ein.
- 1990: FPÖ erreicht erstmals über 10 %, ÖVP verliert stark.
- 1994: FPÖ nähert sich der ÖVP an, LIF tritt erstmals an und überquert die 4‑Prozent-Hürde.
- 1995: SPÖ bleibt stärkste Kraft, FPÖ verliert unter Führung von Haider.
- 1999: Bedeutender Umbruch: ÖVP und FPÖ bilden eine Koalition, was zu Protesten und EU-Sanktionen führt.
2000er Jahre: Schwankungen und Koalitionsbildungen
- 2002: ÖVP gewinnt stark und bildet erneut eine schwarz-blaue Koalition mit FPÖ.
- 2006: SPÖ zieht an der ÖVP vorbei, die Grünen steigen erstmals auf Platz drei.
- 2008: Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP wird fortgesetzt nach dem Ibiza-Video-Skandal.
2010er Jahre: Aufstieg neuer Parteien und politische Krisen
- 2013: Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP bleibt bestehen, NEOS und Team Stronach treten erstmals ein.
- 2017: Sebastian Kurz führt die ÖVP zu einem starken Sieg als „Türkis-Blau“, bildet eine Koalition mit FPÖ. Die Grünen verlieren erstmals den Einzug ins Parlament seit 31 Jahren.
- 2019: Nach dem Ibiza-Video zerbricht die türkis-blaue Koalition. Es kommt zur ersten Beamtenregierung Österreichs nach erfolgreichem Misstrauensantrag gegen Kurz.
Zusammenfassung
Die österreichischen Nationalratswahlen seit 1945 zeigen eine starke Dominanz der beiden Großparteien ÖVP und SPÖ, mit zeitweiligen Aufstiegen und Abfällen anderer Parteien wie der FPÖ, den Grünen und neueren Akteuren wie den NEOS und der Bierpartei. Politische Krisen, Skandale und die Bildung verschiedener Koalitionen prägen die Wahllandschaft und führen zu wechselnden Regierungsbildungen. Besonders auffällig ist der Aufstieg populistischer Parteien und die zunehmende Fragmentierung des Parlaments in den letzten Jahrzehnten.